Die niedrigen Zinsen werden für immer mehr Lebensversicherer zur Herausforderung. Zur Absicherung ihrer Garantieversprechen sind sie auf nicht-spekulative, sichere Geldanlagen angewiesen. Diese werfen aber bekanntermaßen seit Jahren kaum noch Ertrag ab, schon gar nicht so viel, dass die üppigen Garantiezinsen früherer Jahrzehnte damit hereingeholt werden könnten. Also muss „Tafelsilber“ verkauft und Gewinn aus anderen Quellen umgeleitet werden. Zudem hat der Gesetzgeber die Versicherer zur Bildung einer Zinszusatzreserve verpflichtet, die zusätzlich zu den Kunden bedient werden muss.

Als Konsequenz daraus erwirtschaften laut einer aktuellen Studie mittlerweile 30 der 84 aktiven Lebensversicherer nicht mehr genug, um Garantiezinsen und Reserven abzudecken. Im Vorjahr waren es noch 20 kritische Kandidaten – der beträchtliche Anstieg lässt die Brisanz des Themas erkennen und verdeutlicht, warum immer mehr Gesellschaften mit einem Verkauf ihrer Lebensversicherungsbestände liebäugeln (wie im Vormonat an dieser Stelle berichtet).

Insgesamt schätzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die deutschen Lebensversicherer jedoch als überwiegend gesund ein, wenngleich einige Anbieter Anlass zu Besorgnis gäben. Kunden mit laufenden Verträgen können unbesorgt sein, denn ihre Auszahlungen sind nicht nur durch die Zinszusatzreserve abgesichert. Eine Versicherer-Insolvenz ist zwar theoretisch möglich, praktisch aber sehr unwahrscheinlich – und im Fall der Fälle würde die BaFin zeitig durch einen Sicherungsfonds gewährleisten, dass die Kundenansprüche erfüllt werden.

Kündigen, Verkauf oder sogar Rückabwicklung

Doch was passiert mit diesen Verträgen, die kaum noch eine auskömmliche Rendite bringen oder gar durch Kosten und Gebühren im Verlust sind? Kündigen?
Unter bestimmten Umständen und je nach Verlauf der Renten- oder Lebensversicherungen macht es ggf. Sinn, auf eine Kündigung zu verzichten und anstelle dessen über den Verkauf nachzudenken.
Der Verkauf geht schneller und ist unkompliziert.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 19.12.2013 und weiteren 154 Urteilen des Bundesgerichtshofes (BGH) im Jahre 2015 ist im Falle einer falschen Widerrufsbelehrung sogar die komplette Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen möglich, die im Zeitraum vom 01.07.1994 bis 31.12.2007 abgeschlossen worden sind.
Rechnen Sie einfach nach: was haben Sie bisher eingezahlt, was ist der ausgewiesene Rückkaufswert?
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diesen Vertrag benötigen und bis zum Ende weiterzahlen, wenn dieser heute bereits keine Rendite erwirtschaftet?